Messias Skript: Episode 1
Wer ist diese antike Figur, die am Scheideweg der Geschichte steht? Ist er ein außerordentlicher Lehrer? Ein Revolutionär? Ein Prophet? Oder ist er tatsächlich der göttliche Sohn eines göttlichen Vaters, der buchstäbliche Retter der Welt? In dem Versuch, diese Frage zu beantworten, verwerfen viele Wissenschaftler das Göttliche und unterscheiden zwischen dem geschichtlichen Jesus, dem sterblichen Mann, und dem Jesus des Glaubens, dem Sohn Gottes. Heute bemühen sich HLT-Wissenschaftler darum, Historie und Glauben, Wissenschaft und religiöse Offenbarung zu vereinen, um zu einem umfassenderen Verständnis davon zu gelangen, wer Jesus wirklich war und ist.
Er wurde als Bauer, Mystiker, charismatischer Führer, weiser Lehrer und einflussreicher Sozialkritiker bezeichnet. Seine Worte wurden genau studiert, bearbeitet und fast in jede Sprache übersetzt. Geschichten der vielen, von ihm vollbrachten Wunder wurden selbst von den obskursten Kulturen glorifiziert. Doch die Geschichte und das Leben von Jesus Christus begannen lange vor Bethlehem. Indem wir die biblischen Aufzeichnungen gemeinsam mit dem Buch Mormon und modernen Offenbarungen studieren, sind wir in der Lage, ein vollständigeres Bild des Jesus von Nazaret zu präsentieren. Um die uralte Frage “Wer ist dieser Mann?” beantworten zu können, müssen wir eine Reise zurück zum Anbeginn, noch vor den Ursprung aller Dinge, in vorirdische Gefilde antreten.
ANDREW C. SKINNER: Angesichts der Tatsache, dass das Neue Testament so tiefgreifend auf das Konzept eines vorirdischen Daseinseingeht, ist es überraschend, dass das vorirdische Dasein nicht auch ein zentraleres Thema für viele andere Christen in der heutigen Welt ist. Wir wissen, zum Beispiel, dass es sowohl biblische als auch nicht-biblische, oder außerbiblische, Quellen gibt — Quellen, die nicht Teil des Neuen Testaments sind — die generell über das Prinzip oder das Konzept eines vorirdischen Daseins sprechen. Doch es gibt auch bemerkenswerte Quellen, die nicht nur das generelle Konzept eines vorirdischen Daseins bejahen, sondern sich zudem auch auf das vorirdische Dasein von Jesus Christus konzentrieren. Diese Hinweise gehen entweder auf die Zeit vor Jesus Christus oder auf den zwischentestamentalen Zeitraum zurück, als Jesus wirkte.
CECILIA M. PEEK: In der sogenannten patristischen Literatur und sogar später gibt es Indizien in Bezug auf Christus als den Gott, der Abraham aufsuchte und als Gott des Alten Testaments. In Justin und Irenäus kann man ebenfalls Anhaltspunkte finden. Einer der berühmtesten kam relativ spät. Und zwar handelt es sich um einen Autor aus dem 5. Jahrhundert namens Sozomenos, der sich in seiner Kirchengeschichte auf eine Kirche bezieht, eigentlich auf eine Stätte, an der Konstantin eine Kirche errichten ließ. Der Name des Ortes ist Mamre. Laut Sozomenos handelte es sich um einen Ort, an dem ein großer Markt und große Feiern abgehalten wurden, und der von Juden — Sozomenos benutzte tatsächlich das Wort “Heiden“ – und Christen gleichermaßen als bedeutende Stätte wertgeschätzt wurde. Sozomenos sagt, dass er für Christen zentrale Bedeutung hatte, weil genau an diesem Ort derjenige, der von einer Jungfrau geboren werden würde, vor dem frommen Mann, gemeint ist Abraham, erschien. Es ist also ein eindeutiger Verweis auf ihren Glauben, dass Christus in der Tat der Gott war, der Abraham aufsuchte.
ERIC D. HUNTSMAN: Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Johannes 1:1 Der Prolog des Johannesevangelium, die Verse 1 bis 18 im Kapitel 1 werden oft als Logos Hymnus bezeichnet – Ein Hymnus, weil er sich, was Stil und Struktur betrifft, vom Großteil des restlichen Textes unterscheidet. Die Reimpaare sind parallel angeordnet, fast wie ein hebräisches Gedicht, obwohl er auf Griechisch geschrieben wurde. Aber wichtiger als die Form des Dokuments dürfte wohl sein Kontext sein.
CECILIA M. PEEK: ”En archê ên o logos kai o logos ên pros ton theon kai theos ên o logos” “Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.” Wenn Sie das Wort logos in dem großen griechischen Wörterbuch nachschlagen würden, mit dem sich jeder gequälte Altphilologiestudent rumschlagen muss, würden Sie sechs Spalten engzeiligen Textes nur über dieses eine Wort vorfinden. Es kann zum Beispiel “Darstellung” bedeuten. Es kann “Diskussion” bedeuten. Es kann “Erörterung” bedeuten. Es kann “Logik” bedeuten. Es kann “Vernunft” bedeuten. Es kann “Intelligenz” bedeuten. Es ist eines der reichhaltigsten Wörter, und Johannes benutzt es bestimmt genau aufgrund dieser Reichhaltigkeit.
ERIC D. HUNTSMAN: Wir nennen ihn den Logos Hymnus, weil er auf dem griechischen Wort “logos“ basiert, das konventionell als „das Wort“ übersetzt wird, wie in unserer King James Bibel. Aber das Wort ”logos” hat einen sehr weiten semantischen Bedeutungsspielraum im klassischen und biblischen Griechisch. Laut Platon und manchen anderen frühen griechischen Philosophen unterscheidet uns Logos von den Tieren. Das soll nicht heißen, dass Tiere nicht fühlen und nicht miteinander kommunizieren können, aber Logos war das Vermögen, durch das Gedanken und Ideen von einer Person zur anderen kommuniziert werden konnten. Es kann also “Wort” bedeuten, aber auch “Gedanke” oder “Idee”, “Vernunft”, “Ursache” et cetera. Wenn ich mit einer anderen Person kommuniziere, werden meine Gedanken zu Worten, und diese Worte erreichen die andere Person und werden zu Gedanken in ihrem Kopf. Insofern, Logos ist etwas, das etwas bewirken kann.
CECILIA M. PEEK: Im Buch “Lehre und Bündnisse” werden sehr ähnliche Worte verwendet wie die, die Johannes benutzt, um Jesus zu beschreiben. Und es ist tatsächlich das Zeugnis des Johannes, das hier artikuliert wird. Ich lese nur einen kleinen Abschnitt daraus vor. Das ist der Abschnitt 93 der “Lehre und Bündnisse”. Am Anfang von Vers 6 heißt es: “Und Johannes sah die Fülle meiner Herrlichkeit und gab davon Zeugnis, und die Fülle des Berichtes des Johannes wird später noch offenbart werden. Und er –“, gemeint ist Johannes — “gab Zeugnis, nämlich: Ich sah seine Herrlichkeit, dass er im Anfang war, ehe die Welt war; darum war am Anfang das Wort, denn er war das Wort, nämlich der Bote der Errettung — das Licht und der Erlöser der Welt; der Geist der Wahrheit, der in die Welt kam, weil die Welt von ihm gemacht wurde, und in ihm war das Leben der Menschen und das Licht der Menschen.'” Was uns Johannes erzählt, wird in dieser Offenbarung, in dieser neueren biblischen Schrift also bestätigt und erweitert.
ERIC D. HUNTSMAN: Im Wesentlichen sagt es uns, dass Gott existierte und anfing, mit Hilfe dieses Logos mit etwas Umfassenderem zu interagieren oder zu kommunizieren, womit, wie wir natürlich wissen, sein einziger “weltlicher” Sohn gemeint ist. Interessanterweise resoniert das zudem sehr mit dem Buch Genesis, denn die Genesis beginnt ihre Schöpfungsgeschichte mit den Worten: “Gott sprach: ‘Es werde Licht.'” Es waren die Worte Gottes, die das Licht entstehen ließen. Ein aufgeweckter Leser würde also diese Verbindung herstellen, würde die Resonanz mit diesem griechischen Ausdruck “das Wort” bei Johannes 1:1 fühlen, und natürlich würde er entweder durch die griechische Übersetzung der Genesis oder durch den hebräischen Originaltext den Sinn dieses Logos verstehen.
RICHARD HOLZAPFEL: Es gibt einen anderen interessanten Abschnitt, ebenfalls im “Brief an die Hebräer”. In diesem Abschnitt in Kapitel 1 sagt der Autor, dass Gott früher bei vielen Gelegenheiten und auf mancherlei Art zu Israel sprach, er sprach zu seinem Volk durch die Propheten. Dann macht er eine überraschende Analogie: “In dieser Endzeit aber hat er zu uns gesprochen durch den Sohn, den er zum Erben des Alls eingesetzt, und durch den er auch die Welt erschaffen hat.” In manchen Übersetzungen heißt es ”des Alls”, zum Beispiel in der Neuen Internationalen Version (NIV). Andere drücken es mit anderen Worten aus, aber die Idee ist, dass Jesus, durch den nun Gottes Stimme gehört wird, zu der Zeit, in der dieser Brief geschrieben wurde, in der Dispensation, die mit Jesus kam, derselbe Jesus ist, der der Schöpfer der Welten oder des Alls war.
JOHN S. TANNER: Der See Genezareth. Ach, wie gern ich hierher komme! Galiläa. Sogar der Name selbst erinnert mich an eine Vielfalt von Geschichten aus dem neuen Testament, die ich liebe — über Jesus, der am Strand entlang läuft und den Fischermännern, die ihre Netze auswerfen, zuruft: “Kommt her, folgt mir nach!”, über Netze, die durch einen wunderbaren Fang zum Bersten gebracht werden. Eine der Geschichten, die mir am besten gefällt, muss sich an einem Tag wie diesem abgespielt haben, einem stürmischen Tag, an dem plötzlich ein gewaltiger Sturm aufzieht, wie so oft von dort drüben aus dem Westen, aus Tiberias. Und Jesus steht auf, er steht im Heck des Bootes, mitten im Toben des Sturmes, und weist den Wind in seine Schranken. Dann befiehlt er dem See: “Schweig, sei still! Und der Wind legte sich und es trat völlige Stille ein.” (Markus 4:39).
Es ist interessant, wie die Jünger laut Markus auf dieses Geschehen reagierten. Er sagte: “Da ergriff sie große Furcht und sie sagten zueinander: Was ist das für ein Mensch, dass ihm sogar der Wind und der See gehorchen?” (Markus 4:40) Die Jünger waren seit Monaten mit Jesus und hatten bezeugt, wie er viele Wunder vollbrachte — er heilte die Kranken, gab den Blinden das Augenlicht, und erweckte sogar einen Mann von den Toten. Dennoch wurden sie von Furcht gepackt, als sie sahen, dass dieser Mann, für den sie ihre Netze zurückgelassen hatten, um ihm zu folgen, sogar Macht über die Naturgewalten hatte. Schließlich erlangten sie das Verständnis, dass die Naturgewalten und die gesamte Schöpfung Jesus gehorchen, da er selbst der Herr der Schöpfung ist.
CAMILLE FRONK OLSON: Im Brief an die Kolosser, Kapitel 1 – es fängt etwa in Vers 12 an und geht bis Vers 19 wird über Jesus Christus gesprochen, und zwar als “das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene aller Lebewesen”, oder, mit anderen Worten, im Griechischen, sogar “der Erstgeborene der ganzen Schöpfung”. Woraus hervorgeht, dass die Christen verstanden haben müssen, dass Christus der Schöpfer, der Erstgeborene war, der vor allen anderen Dingen geboren und erschaffen wurde. Außerdem heißt es in Vers 17: “Er ist vor aller Schöpfung, in ihm hat alles Bestand.” Und dazwischen, in Vers 16, wird er sogar als Schöpfer bezeichnet: “Denn in ihm wurde alles erschaffen, im Himmel und auf Erden, das Sichtbare und das Unsichtbare.” Ich finde, das ist eine faszinierende Formulierung, “das Sichtbare und das Unsichtbare”, die andeutet, dass es viel mehr gibt, das von Christus erschaffen wurde, als wir erkennen können und gesehen haben.
RICHARD D. DRAPER: Im Griechischen heißt es: ta orata kai ta aorata
MICHAEL D. RHODES: Im Buch Mose, Kapitel 7, zum Beispiel, als Henoch sieht, wie sich die Geschichte der Welt entfaltet und die Kreuzigung von Christus bezeugt, sagt er: “Alle Schöpfungen Gottes trauerten, und die Erde stöhnte, und die Felsen spalteten sich.” (Mose 7:56). Es ist also nicht nur diese Erde, sondern es sind auch die Schöpfungen von Jesus Christus selbst, die er als Beauftragter seines Vaters im Himmel erschaffen hatte, die vor Schmerzen aufschrien, als ihr Schöpfer das Leid auf sich nahm und für ihre Sünden sein Leben opferte.
PAUL Y. HOSKISSON: Ich finde, dass uns das Buch Mormon ganz eindeutig lehrt, dass das Konzept von Jesus Christus als der Schöpfer dieser und anderer Welten schon vor der Zeit von Christus existierte. Wenn wir einen Abschnitt aus dem Buch Mosia, Kapitel 3, Vers 8, betrachten, der die Worte eines Engels zu König Benjamin beschreibt, heißt es: “Und er –” der Heiland — “wird Jesus Christus heißen, der Sohn Gottes, der Vater des Himmels und der Erde, der Schöpfer aller Dinge von Anfang an; und seine Mutter wird Maria heißen.” Hier ist es klar, dass nicht nur der Engel, sondern alle Leute im Buch Mormon erkannten, dass der Gott des alten Testaments, der, wie wir glauben, Jesus Christus ist, auch der Schöpfer dieser Erde und all der Dinge, die auf ihr existieren, war.