Messias Skript: Episode 2
Wer ist diese archaische Figur, die am Scheideweg der Geschichte steht? Ist er ein außerordentlicher Lehrer? Ein Revolutionär? Ein Prophet? Oder ist er tatsächlich der göttliche Sohn eines göttlichen Vaters, im wahrsten Sinne des Wortes, der Retter der Welt? In der Debatte, diese Frage zu beantworten, verwerfen viele Gelehrten das Göttliche und unterscheiden zwischen dem Jesus der Historie, einem sterblichen Mann, und dem Jesus unseres Glaubens, dem Sohn Gottes. Heute bemühen sich HLT-Gelehrte darum, Historie und Glauben, Wissenschaft und moderne Erkenntnisse zu vereinen, um zu einem umfassenderen Verständnis zu gelangen, wer Jesus wirklich war und ist.
Bilder von Maria und Jesus als Baby vermitteln uns seit langem eine Vorstellung, wie sich die Geburt des Retters abgespielt haben könnte. Und trotzdem, aufgrund unterschiedlicher Darstellungen im Neuen Testament, stellen manche Gelehrte die traditionelle Sichtweise der Geburt Jesu Christi in Frage. Andere wiederum betrachten diese Unterschiede als Gelegenheiten, um ein klareres Verständnis über die Geburt und Jugend des Heilands, als der sterbliche Messias sein Priestertum auf Erden begann, zu erlangen.
JOHN S. TANNER: Christians have long loved the story of the birth of Jesus. In fact we’ve loved it almost beyond recognition. Christmas is now layered over with fanciful traditions and legends. But beneath all of these, there remains the good news of the condescension of God and of the fulfillment of biblical prophecy. Jesus’ miraculous birth is considered by Christians around the world to be at the very center of history. It bisects time and divides the ages. So the story of Jesus’ birth is both central and it’s beloved. No part of Jesus’ life story has been treated so tenderly by believers, or so critically by scholars.
Die Geschichte der Geburt Jesu liegt Christen seit langem sehr am Herzen. Tatsächlich verherrlichen wir sie fast bis zur Unkenntlichkeit. Weihnachten wird heutzutage von fantasiereichen Traditionen und Legenden bestimmt. Aber als Grundlage bleibt die gute Nachricht der Herablassung Gottes und die Erfüllung der biblischen Prophezeiung bestehen. Die wunderbare Geburt Jesu markiert für Christen in aller Welt den Zenit der Menschheitsgeschichte. Sie halbiert die Zeitrechnung und unterteilt sie in Zeitalter. Die Geschichte der Geburt Jesu ist also ebenso zentral wie beliebt. Kein Teil der Lebensgeschichte Jesu wird von Gläubigen so liebevoll oder von Gelehrten so kritisch behandelt. In der Tat haben sich die Kritiker auf die Diskrepanzen zwischen dem Evangelium nach Matthäus und dem Evangelium nach Lukas fixiert. In einem wird Jesus von weisen Männern begrüßt. Im anderen heißen ihn Schafhirten willkommen. In einem ist das Baby im Haus, im anderen ist es, selbstverständlich, in der Krippe. In dem einen Evangelium scheint aus der Perspektive Josefs erzählt zu werden, wohingegen das andere aus der Sicht Marias zu erzählen scheint. Es gibt also Unterschiede in Sachen Geographie, Genealogie und sogar betreffs der Chronologie.
Aber deuten die unterschiedlichen Details auf Erdichtungen in beiden Erzählungen hin oder kann man sie überzeugend unter einen Hut bringen und somit eine fundamentale Glaubwürdigkeit des Kanons etablieren?
RICHARD LLOYD ANDERSON: Zur Weihnachtszeit sind wir glücklicherweise immer noch von einer Vielzahl von Bestätigungen und Erinnerungen der Gemeinschaft über die Geburt Christi umgeben. Ich hoffe, dass das immer so sein wird. Währenddessen arbeiten wir daran, einen detaillierten Blick auf die Evangelien nach Matthäus und Lukas zu werfen, um die wahre Geschichte der Weihnacht auch wirklich zu verstehen.
JOHN S. TANNER: Es ist ein großer Segen, dass uns die Stellen in der Bibel über Christi Geburt sehr geläufig sind. Allerdings ist das auch einer der Nachteile. Die Leute gehen diese Stellen oft mit der Haltung an, genau das vorzufinden, was ihren Erwartungen entspricht, und sind nicht immer offen dafür, was in Wirklichkeit dort steht.
Im Evangelium nach Lukas heißt es „Da geschah es, als sie dort waren -” (Lukas 2:6) Ich glaube, wir haben das wieder in der wunderbaren Prosa der deutsche Bibelübersetzung gelesen. Aber wie lange waren sie dort, als sie dort waren? Wie lange waren sie in Bethlehem, bevor diese Tage vollendet waren? Waren sie in der Nacht angekommen?
Wenn wir die Bibel lesen, ermutige ich oft meine eigene Familie dazu, die Sache einfach etwas langsamer anzugehen, um manche Worte wirklich aufzunehmen und sich Zeit für die Details zu nehmen, die uns die Bibel bietet, und Fragen zu stellen, den Text nach dem, was wir wissen, zu untersuchen, und vielleicht auch danach, was wir nicht wissen, und die Fragen, die wir einfallsreich in unserem Verstand beantworten wollen.
THOMAS A. WAYMENT: Es ist eine wichtige Erkenntnis, dass die Evangelien miteinander verknüpft sind. Es handelt sich nicht um drei oder vier separate Erzählungen über Jesus. Und als Gelehrte können wir unter anderem erkennen, dass Matthäus, Markus und Lukas ganz klar voneinander geborgt haben. Es ist fast mit der Lösung eines Puzzle vergleichbar: herauszufinden, wer die Quelle und wer die Person, die geborgt hat, war.
S. KENT BROWN: Die Leserschaft beeinflusst in hohem Maß, wie Matthäus und Lukas ihre Geschichten über Maria und Josef und das Kind präsentieren. Matthäus schreibt für ein jüdisches Publikum. Dies ist ganz am Anfang seines Evangeliums offensichtlich, das er mit einer Genealogie beginnt, die auf Abraham basiert. In der Einleitung seiner Geburtserzählung reproduziert Matthäus eine Genealogie Jesu, die an sich höchst symbolisch ist. Es gibt drei Reihen von 14 Generationen, die mit Abraham beginnen und mit Jesus enden. Es ist höchst symbolisch, die Geschichte mit Abraham zu beginnen. Jemand betrachtet das Matthäusevangelium und sagt, dass seine Erzählung schon diese symbolische Struktur beinhaltet. Eigentlich versucht er, die Frage seiner jüdischen Freunde zu beantworten: “Wenn Jesus der Messias war, warum haben wir ihn dann nicht erkannt? Warum war es für uns nicht offensichtlich?”
RICHARD HOLZAPFEL: Das Matthäusevangelium scheint eine uralte Biographie zu sein. Und zwar laut allen klassischen Definitionen, wohingegen das Lukasevangelium keine Biographie ist. Wie manche Gelehrte vorgeschlagen haben, handelt es sich bei Lukas um eine historische Erzählung, die die Historie der Erlösung beschreibt, und er verwendet dafür eben die Form einer historischen Erzählung. Also, im Grunde genommen schrieb Matthäus eine Biographie, die sich auf Jesus konzentriert, und Lukas schrieb eine historische Erzählung und erzählt die Geschichte Jesu, aber er bringt auch viele andere Beweise vor, die bestätigen, dass er der versprochene Messias ist.
S. KENT BROWN: Lukas schreibt, um Missverständnisse aus dem Weg zu räumen — dass Christen Juden sein können, aber sie haben ein völlig verschiedenes Bezugssystem. Eine Sache, zu der Lukas immer wieder zurückkehrt, besonders in Kapitel 1 und 2, ist die Tatsache, dass diejenigen, die mit dem Beginn dieser Geschichte zu tun hatten, alle das Gesetz respektierten. Das ist ein Thema, das in Kapitel 1 und Kapitel 2 immer wieder auftaucht, dass diese Leute dem Gesetz gemäß respektvoll und gehorsam sind.
Wenn man zum Beispiel zwischen diesen zwei Geburtserzählungen wählen würde, Matthäus auf einer Seite, und Lukas auf der anderen, entscheiden sich die meisten gläubigen Gelehrten für Matthäus und verwerfen Lukas, da er aus mehreren Gründen historisch unzuverlässig sein soll.
Ich persönlich glaube, es ist möglich, die beiden zu vereinen und eine übereinstimmende Geschichte auszumachen, die in den zwei Erzählungen existiert — Matthäus hebt Jesus als davidischen König hervor und Lukas hebt Jesus als den Mann aller Männer hervor, der nicht nur von Abraham, sondern weiter zurückgehend von Adam abstammt.
ANDREW C. SKINNER: Niemand kannte wirklich die ganze Geschichte, was ein gute Lektion dafür ist, warum man andere nicht richten sollte, weil wir es wirklich nicht wissen.
Maria verlässt Nazaret, um ihre Cousine Elisabet zu besuchen, und als sie zurückkommt, ist sie schwanger. Darüber wurde in dem Dorf Nazaret wahrscheinlich sehr viel geredet. Sobald Maria in dieses kleine Dorf Nazaret zurückkehrt, ist ihr Leben nie wieder dasselbe. Und wie in manchen kleinen Dörfern, die ich kenne, weiß jeder über die Angelegenheiten des anderen bescheid, und ich glaube, das war bei Maria genauso der Fall. Wenn sie also vom Besuch ihrer Cousine Elisabet zurückkehrt, kommt sie laut der Überlieferung aus der Ein Kerem-Region, südlich von Jerusalem, schwanger mit einem Kind zurück.
“ Und es begab sich: Ich schaute und sah die große Stadt Jerusalem und auch andere Städte. Und ich sah die Stadt Nazaret; und in der Stadt Nazaret sah ich eine Jungfrau, und sie war überaus anmutig und weiß. Und es begab sich: Ich sah die Himmel offen, und ein Engel kam herab und trat vor mich hin; und er sprach zu mir: ‘Nephi, was siehst du?’ Und ich sprach zu ihm: ‘Eine Jungfrau, überaus schön und anmutig, mehr als alle anderen Jungfrauen.'” (1 Nephi 11:13).
MARCUS H. MARTINS: Das Buch Mormon bietet uns interessante Einsichten über Maria. Als erstes beginnen wir mit Nephis Vision von Maria, Jahre vor der Geburt des Heilandes. Das ist eine klare Indikation für uns, dass Maria vorherbestimmt war, die Mutter des Heilands zu sein. Das war kein zufälliges Ereignis, das zur Zeit der Geburt des Heilandes stattfand.
Nephi beschreibt Maria und verwendet eine Ausdrucksweise, die der Prophet Joseph Smith am Anfang des 19. Jahrhunderts mit “überaus anmutig und weiß” (1 Nephi 11:13) übersetzte. Mit unserer Alltagssprache des 21. Jahrhunderts als Ausgangspunkt betrachten wir das und sagen: Wie ist dieses „überaus anmutig und weiß“ wirklich gemeint?
Nun ja, wenn wir die Definition dieser Worte im Wörterbuch nachschlagen, bezog sich Nephi wahrscheinlich nicht nur auf ihre physischen Charakteristika, ihre Schönheit, sondern auch auf die Vorstellung, dass sie rein und unschuldig, eine liebenswerte Person, aber gleichzeitig auch eine sehr tugendhafte Frau war.
JUSTIN SU’A: Ursprünglich war es eine Frage. Der Geist fragt Nephi in Vers 10: “Was wünschst du?” Und das war, nachdem er den Baum gesehen hatte, die Vision des Baumes, den Lehi gesehen hatte. Nephi antwortet: “Die Bedeutung davon zu wissen.” Und anstatt ihm die Bedeutung zu geben, gibt ihm der Geist mehr Visionen. In Vers 13 sieht er — “Ich sah eine Jungfrau, und sie war überaus anmutig und weiß.” Es geht weiter: “Eine Jungfrau, überaus schön und anmutig, mehr als alle anderen Jungfrauen.” Und in Vers 18 — “Siehe, die Jungfrau, die du siehst, ist die Mutter des Sohnes Gottes nach der Weise des Fleisches.” Eine paar Verse weiter zeigt der Geist sie ihm. Nephi sagt: “Ich schaute und sah wieder die Jungfrau, und sie trug auf den Armen ein Kind.” Dann fragte der Geist Nephi noch einmal: “Kennst du die Bedeutung des Baumes, den dein Vater gesehen hat?” Und nun konnte Nephi antworten: “Ja, das ist die Liebe Gottes.” Ich finde es sehr interessant, dass er ihm anstatt — um ihm die Bedeutung des Baumes zu erklären, lehrte er ihn über Maria, die Mutter von Jesus Christus.
JOSEPH FIELDING MC CONKIE: „Im sechsten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott in eine Stadt in Galiläa namens Nazaret zu einer Jungfrau gesandt…” (Lukas 1:26) Als Gabriel zu Maria kam, ist das Gefühl, das man von der ganzen Geschichte bekommt, völlig anders als das, als er Zacharias erschien. Zacharias hatte Angst. Für Maria scheint es eine viel natürlichere Sache gewesen zu sein, und zwar in so einem Maß, dass angedeutet wird, dass spirituelle Erfahrungen nichts Neues für sie waren und es eventuell nicht das erste Mal war, dass sie Anweisungen von einem Engel erhalten hatte.
CAMILLE FRONK OLSON: Hier haben wir eine junge Frau, die nicht ins Gewicht fällt oder besonderen Status besitzt, die von einem Engel aufgesucht wird, der ankündigt, dass sie die Mutter des Sohnes Gottes sein wird. In ihrer Antwort zeigt sie immensen Glauben: “Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?” (Lukas 1:34) Sie verstand nicht, wie das sein konnte, da sie eine Jungfrau war.
BRENT L. TOP: Ich bin beeindruckt von Marias Hingabe und Glaubenstreue. Nicht ein einziges Mal sagt sie: “Das ist unmöglich.” Sie weiß, dass es geschehen wird, und sie unterwirft sich mit völligem Gehorsam, Glauben und Hingabe dem Willen des Vaters.