Messias Skript: Episode 7
Wer ist diese archaische Figur, die am Scheideweg der Geschichte steht? Ist er ein außerordentlicher Lehrer? Ein Revolutionär? Ein Prophet? Oder ist er tatsächlich der göttliche Sohn eines göttlichen Vaters, im wahrsten Sinne des Wortes, der Retter der Welt? In der Debatte, diese Frage zu beantworten, verwerfen viele Gelehrten das Göttliche und unterscheiden zwischen dem Jesus der Historie, einem sterblichen Mann, und dem Jesus unseres Glaubens, dem Sohn Gottes. Heute bemühen sich HLT-Gelehrte darum, Historie und Glauben, Wissenschaft und moderne Erkenntnisse zu vereinen, um zu einem umfassenderen Verständnis zu gelangen, wer Jesus wirklich war und ist.
Als ihr auferstandener Meister gen Himmel aufstieg, wurde den Aposteln von Engeln beteuert, dass er in aller Herrlichkeit zurückkehren wird. Das Versprechen der triumphalen Rückkehr Jesu Christi resoniert durch die frühe christliche Welt und motiviert die Hymnenschreiber des Altertums zu verkünden: “Sprich zu mir, Herr und Freund, und enthülle mir, Sohn des Meistgeliebten, die Zeit deines Kommens, wenn du am Ende erscheinen wirst” (Hymn auf das Zweite Kommen). Obwohl die Realität einer wortgetreuen Wiederkunft Christi von manchen in Frage gestellt wird, finden HLT-Gelehrte in altertümlichen und modernen Offenbarungen die Bestätigung für eine prachtvolle Rückkehr Jesu und für die Gründung seines Königreichs auf Erden, wie es auch im Himmel ist.
KENT BROWN: Der Ölberg. Was für ein bedeutungsvoller Ort in der biblischen Geschichte. So viele wichtige Ereignisse haben sich hier abgespielt. Er ragt im Osten Jerusalems in die Höhe und war der Schauplatz vieler historischer Ereignisse.
ANDREW SKINNER: König David floh vor seinem rebellischen Sohn Absalom zu diesem Berg.
KENT BROWN: Ja. Und von hier aus verkündet der Prophet Zacharias die Ankunft des Messias.
ANDREW SKINNER: Das Neue Testament teilt uns mit, dass dieser Berg nicht nur ein Zufluchtsort, sondern auch ein Schulungsort für Jesus und seine Jünger war.
KENT BROWN: Tatsächlich lehrt Jesus sein Gleichnis der Jungfrauen von hier aus und überblickt von etwas weiter oben die Stadt und weint.
ANDREW SKINNER: Und an jenem verhängnisvollen Abend nach dem letzten Abendmahl kam Jesus, laut Lukas, heraus und ging zum Ölberg, wohin ihm seine Jünger folgten.
KENT BROWN: Es scheint nur angemessen, dass der auferstandene Jesus, nachdem er 40 Tage mit seinen Jüngern verbracht und sie geschult hat, von hier aus zu seinem Vater im Himmel aufsteigt.
ANDREW SKINNER: Ich glaube, dass die Himmelfahrt des Herrn Jesus Christus von diesem Berg aus dann die Erfüllung all der heiligen und weltlichen geschichtlichen Ereignisse ist, die hier stattfanden.
DANIEL PETERSON: Am Ende seiner 40-tägigen geistlichen Schulung, brachte Jesus seine Jünger zum Ölberg, der gleich außerhalb liegt und Jerusalem überblickt. Hier sprach er zum letzten Mal zu ihnen, um sie darauf vorzubereiten, was auf sie zukommen würde. Ich glaube, sie hatten keine Ahnung, was ihnen wirklich bevorstand.
Eine der Fragen, die sie sich an diesem Punkt stellten, war: “Würde er das Königreich in Israel wiederherstellen?” Sie dachten, dass dies eventuell die Erfüllung ihrer messianischen Hoffnungen war, die Wiederkunft Jesu, von der sie gehört hatten. Er war gestorben, er war auferstanden und war zurückgekehrt. Vielleicht war es das. Das Königreich würde in Israel wiederhergestellt werden.
ROGER KELLER: Die Apostel glaubten, dass die Gründung des Königreichs aufgrund der Auferstehung Jesu unmittelbar bevorstand. Im Wesentlichen gab es drei Zeichen, nach denen die Juden Ausschau hielten, die die Ankunft eines neuen Zeitalters markierten. Eines war die Auferstehung der Toten, was mit Jesus und auch anderen schon ganz klar geschehen war. Das zweite war das Kommen des Messias. Und das dritte war die Rückkehr des Geistes. In der Apostelgeschichte steht das noch bevor. Aber die drei Zeichen für den Anbruch eines neuen Zeitalters sind ganz klar präsent. Also war es auch völlig gerechtfertigt, dass sich das jüdische Publikum fragte, wie nah dieses neue Zeitalter, das sie erwartet hatten, nun tatsächlich war.
DANIEL PETERSON: Tatsache ist, dass es nicht geschehen sollte. Es würde lange verzögert werden, viel länger als sie sich vorstellen konnten. Er sagte ihnen, dass sie viel Arbeit vor sich hatten. Sie würden Macht und den Heiligen Geist erhalten, sie würden das Evangelium verkünden, nicht nur in Jerusalem und Judäa, sondern auch in Samarien und sogar bis ans Ende der Welt. Sie hatten jede Menge zu tun, aber dank der 40-tägigen Schulung waren sie nun der Aufgabe gewachsen. An diesem Punkt verlässt er sie, was für sie recht unerwartet kam. Er steigt einfach gen Himmel hoch.
ROGER KELLER: Und als sie da stehen, treten zwei Männer an sie heran und sagen: “Was steht ihr und seht hinauf zum Himmel? Dieser Jesus, der von euch weg in den Himmel aufgenommen worden ist, wird so kommen, wie ihr ihn habt hingehen sehen in den Himmel” (Apostelgeschichte 1:11).
Diese Aussage, die von Engeln stammen musste, hat eine Erwartung kreiert, die die Kirche und die christliche Gemeinde die vergangenen 2000 Jahre hinweg durchdrang und eine Vielfalt von Fragen darüber aufwarf, was die Wiederkunft Jesu wirklich bedeutet.
GAYE STRATHEARN: Im Alten und Neuen Testament lassen sich zahllose Prophezeiungen finden, die sich auf die Zeichen der Zeit beziehen. Diese Zeichen müssen sich erfüllen, bevor der Messias in Herrlichkeit zurückkehrt. Seit Jahrhunderten untersuchen Gelehrte und Geistliche gleichermaßen diese Prophezeiungen und versuchen, den genauen Zeitpunkt seiner Wiederkunft festzulegen. Allerdings haben dabei viele diverse Anzeichen übersehen, einen Wink in den Lehren, der auf einen größeren, weitaus komplizierteren Plan hinweist, bei dem ein Abfall vom Glauben, aber auch eine Wiederherstellung eine Rolle spielen. Paulus unterrichtet die Thessaloniker, die sich fragen, ob die Wiederkunft nahe bevorsteht: “Der Tag des Herrn komme nicht, es sei denn, dass zuvor der Abfall komme.” (2. Thessalonicher 2:3)
RICHARD HOLZAPFEL: Die King James-Version benutzt das Wort “abfallen” in dieser berühmten Passage mit den Thessalonikern. Aber das griechische Wort hier, das besonders in romanischen Sprachen oft übersetzt wird, ist “Apostasie”, was “eine Rebellion von innen” bedeutet.
CECILIA M. PEEK: Das griechische Wort, das wir als “Abfall” übersetzen, kommt von dem Wort “apostasia”, oder “apostasis”. Es ist ein sehr interessantes Wort. “Stasis”, die Wurzel, wird in der klassischen griechischen Historiografie häufig in Bezug auf einen Bürgerkrieg benutzt und beschreibt fast immer einen Streit, eine Rebellion oder einen Konflikt. Aber eigentlich beschreibt es einen Konflikt in einem griechischen Stadt-Staat oder innerhalb einer spezifischen Gruppe.
Meiner Meinung nach kommt der früheste Gebrauch des Wortes “Abfall”, dieser Bedeutung sehr nahe, und scheint nicht so sehr auf Druck von außerhalb der christlichen Gemeinde hinzuweisen, sondern auf die Zunahme von Missverständnissen, Streitigkeiten und Tumulten innerhalb der christlichen Gemeinde.
JARED LUDLOW: Jesaja mahnt, dass die Menschen Gott mit ihren Lippen nahestanden, aber ihre Herzen weit von Gott entfernt waren. (Siehe Jesaja 29:13) Amos spricht über eine Hungersnot des Wortes Gottes und dass es Menschen an der nötigen geistigen Nahrung mangelte. (Siehe Amos 8:11)
Wenn also Jesus kommt und vergleichbare Ideen vertritt und über ähnliche Situationen spricht, bekommen wir wirklich das Gefühl, dass es relativ bekannt war, dass es diese Probleme und Schwierigkeiten unter den frühen Christen gab.
RICHARD HOLZAPFEL: Der Abfall spielt sich wirklich auf zwei Ebenen ab. Die erste ist die unbeabsichtigte Konsequenz der simplen Tatsache, dass sich das Evangelium so schnell verbreitete, ohne die richtigen Kommunikationswege zu haben, und dass es den Aposteln mit ihrem Führungssitz in Jerusalem an den Fähigkeiten fehlte, sich öfter zu treffen, um die Fragen, die die Kirche plagten, zu beantworten. Sie hatten einfach keine Gelegenheit, sich regelmäßig zu treffen und die wichtigen Fragen zu diskutieren. Der Abfall ist also hier eine natürliche Konsequenz drastischen Wachstums ohne zentrale Kontrolle, was im Lauf der Zeit schlicht und einfach zum Problem wird. Wie kommuniziert man? Aber die zweite Ebene, und auch die heimtückischste, ist die Tatsache, dass Jesus und die Apostel vorhersagten, dass es innerhalb der Herde Gottes einzelne geben würde, die nach Überlegenheit, Autorität und Macht streben würden. Und diese Leute scheinen diejenigen zu sein, die die Autorität wirklich untergraben und die Apostel selbst herausfordern, also die, die rechtmäßig Autorität besitzen, und beginnen, Doktrinen zu lehren, ohne die Zustimmung der 12 zu haben.
JARED LUDLOW: Dies wird besonders in den Schriften des Johannes sehr deutlich. In Johannes 2, zum Beispiel, geht Johannes auf die falsche Vorstellung ein, die manche frühen Christen vertraten, dass Jesus nicht wirklich aus Fleisch und Blut war, sondern nur scheinbar einen physischen Körper hatte, eine Lehre, die mitunter Doketismusgenannt wird. Und er sagt, dass diejenigen, die diesen Glauben vertreten, Betrüger und Antichristen sind. In Johannes 3 geht er auch auf das Thema Autorität ein, dass manche Individuen innerhalb der Gemeinde sich widerrechtlich Autorität aneignen und die wahre Autorität anderer nicht anerkennen.
CECILIA PEEK: In einem Brief von Johannes gibt es eine interessante Bezugnahme auf eine Gemeinde von Christen, über die er sagt — Er sagt, dass sie nicht bereit waren, ihn anzuerkennen. Und Johannes war zu dieser Zeit zweifellos der dienstälteste Apostel. An der Idee des Abfallens ist also sicherlich etwas dran, aber es handelt sich nicht nur um ein beiläufiges Abrutschen. Es ist ein Akt der Rebellion, der wahrscheinlich begann — Die Griechen zumindest deuten an, dass das Problem als innerkirchlicher Konflikt begann.
NOEL B. REYNOLDS: Die Briefe des Paulus und andere Briefe sprechen von — Ich stieß, ohne mich groß anzustrengen, auf 24 unterschiedliche Vorfälle, in denen der Autor des Briefes, einer der Apostel, einen Zweig der Kirche des Abfalls beschuldigt, und in vielen Fällen geht es um recht skandalöse Dinge. Nur ein einziges Mal berichten diese Briefe des Neuen Testaments, dass die beschuldigte Gemeinde oder die Mitglieder in Frage Reue empfanden und eine Kehrtwende machten. Tatsache ist, dass Paulus und die anderen Apostel wirklich üble Dinge zu sehen bekamen. Paulus berichtet an einem Punkt: “Ganz Asien hat sich gegen mich erhoben.” Und zwar bezieht er sich damit auf die Kirchen in der heutigen Türkei, von denen viele führende frühe Kirchen der ersten Missionen waren. Ich finde, dass das ernstzunehmende Dinge sind, die wir oft übersehen, wenn wir die Heilige Schrift lesen. Es ist sehr wichtig zu wissen, dass es schon im 1. Jahrhundert so einen Abfall innerhalb der Kirche gab.
KENT BROWN: Der christliche Historiker Hegesippus beschreibt im 2. Jahrhundert in einer Schrift über die Kirche in Jerusalem, wie sich der Abfall entfaltete. “Sie bezeichneten sie als Jungfrau, weil sie von den selbstgefälligen Lehren noch nicht verdorben worden war. Doch Thebouthis, weil er nicht zum Bischof von Jerusalem ernannt wurde, begann, sie heimlich zu korrumpieren.” Dadurch entstanden falsche Christen, falsche Propheten und falsche Apostel, die die Einheit der Kirche brachen, indem sie negativ über den wahren Gott und Christus sprachen. Hegesippus und andere hatten die Situation richtig eingeschätzt, die Dämmerung war vorüber und die dunkle Nacht des Abfalls lag über ihnen.
RICHARD HOLZAPFEL: Wir haben die biblischen Texte des Neuen Testaments, die die Geschichte der Apostel und Propheten im 1. Jahrhundert erzählen. In den Jahrzehnten und Jahren, die direkt darauf folgten, kurz nach den Aposteln, kurz nach Petrus und Paulus, gab es eine Anzahl von Texten — Zum Beispiel “Den Hirten des Hermas”, die “Apokalypse des Petrus”, die Apokryphe des Jakob”. Diese Texte berichten ebenfalls, dass Diskussionen im Gange waren. Sie alle enthüllen, dass es sich um ein gängiges Thema handelt, um etwas, was wohlbekannt ist, was diskutiert und debattiert wird, und sie bieten auch gewisse Einsichten. Jakob zum Beispiel vertritt die Ansicht, dass der Geist der Offenbarung, der Geist der Prophezeiung, in der Kirche ausstirbt. Es gibt eine Vielfalt moderner Literatur — eine Reihe von Büchern, die zwar nicht kanonisiert sind, aber historische Informationen enthalten, die uns verstehen helfen, um was es ging. Das Thema einer dieser Diskussionen war, wie die Zukunft der Kirche aussehen wird.
ALISON COUTTS: Eine der Nag Hammadi-Rollen hat den Titel “Die Apokalypse des Petrus”. Und darin geht es um den Abfall im Allgemeinen. Und er drückt das sehr deutlich aus. “Denn viele werden unsere Rede annehmen am Anfang, aber sie werden sich wieder abwenden, nach dem Willen des Vaters ihres Irrtums, denn sie haben getan, was er wollte. Und er wird diejenigen offenbar machen in seinem Gericht. Jene aber, die mit diesen Umgang hatten, werden ihre Gefangenen werden, indem sie ohne Wahrnehmung sind.” Er bezeichnet in der “Apokalypse des Petrus” Leute als blind und taub. Und ich glaube, dass er sich damit direkt auf den Abfall bezieht.
DANIEL PETERSON: Diskussionen, Streitgespräche und Kontroversen über die Erscheinungsform von Christus, über seine Rolle in der Erlösung und über seine Beziehung zum Vater haben sich jahrhundertelang fortgesetzt. Eines der wichtigsten Ereignisse in der Geschichte des Christentums war das Konzil von Nicäa im Jahr 325 n. Chr., bei dem Teilnehmer im Wesentlichen debattierten, ob Christus wirklich vollkommen göttlich oder untergeordneter Natur war — sehr hochrangig, aber dennoch untergeordnet, und sich deshalb in seinem Wesen vom Vater unterschied. Gewissermaßen ging es bei dem Streitgespräch um einen einzigen Buchstaben in der griechischen Sprache, den Buchstaben “yota”, der “I”. War Christus “homoousios”— von derselben Substanz oder Wesensart wie der Vater — oder war er ”homoiousios”— von einer ähnlichen aber unterschiedlichen Substanz oder Wesensart als der Vater? Letztendlich kam der Rat zu dem Beschluss, dass Jesus vollkommen göttlich war, denn wenn er nicht vollkommen göttlich wäre, könnte er uns nicht völlig retten, wie wir gerettet werden sollten.
MILTON V. BACKMAN: Nach dem Tod der Apostel gab es niemand, der die Führung der Kirche übernehmen konnte. Die frühe christliche Kirche schritt also nicht mit derselben Organisation, demselben Glauben und derselben Autorität voran. Obwohl die Kirche nicht auf Erden war, waren die Menschen gesegnet mit dem Licht Christi und gesegnet mit der Heiligen Schrift. Er hinterließ ihnen also Richtlinien, die, wenn sie sie anwendeten, es ihnen ermöglichen würden, das Königreich, das sie sich wünschten, im Jenseits zu übernehmen.
ANDREW SKINNER: Es gab viele tapfere Seelen, viele Männer und Frauen, die erkannten, dass das Christentum eine falsche Richtung eingeschlagen hatte und sich auf Abwegen befand. Die Bemühungen dieser frühen Reformatoren, die alles hingaben, um die Kirche zu reformieren, um die Heiligen Schriften in die Hände von einfachen Bürgern zu legen, um sicherzustellen, dass alle verstanden, was Jesus zu lehren versuchte und welche Verordnungen er etablieren wollte, waren also nicht umsonst.
Martin Luther zum Beispiel erwies den Bemühungen von John Wycliffe seine Ehrerbietung. Dies waren tapfere Seelen, die sich um das bemühten, was schließlich als protestantische Reformation in die Geschichte einging. Einer der bemerkenswertesten dieser Männer, ein wahres Genie, kann man sagen, ein Mann, der den Geist Gottes im Überfluss besaß, war William Tyndale, der einen gezielten Versuch unternahm, die griechischen Originalmanuskripte des Neuen Testaments und die hebräischen Originalmanuskripte des Alten Testaments zu vereinen und uns eine Version der Bibel zu geben, die schließlich zur King James- Version wurde, wie wir sie heute kennen. Als Dank für seine Mühen wurde er auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Er gab sein Leben, damit wir diese Bibel haben konnten.